Auf Schritt und Tritt begegnet dem Fotografen das soziale Elend. Er schaut nur flüchtig hin und gleich wieder weg. Er geht vorbei. Er will nicht richtig hinsehen. Er überläßt das lieber seiner Kamera. Er drückt im Vorübergehen ab. Er schaut zuerst, ob er unbeobachtet ist. Er ist ein Feigling. Er stiehlt die Bilder. Er ist froh um den lautlosen elektronischen Verschluss seiner teuren Kamera. Er macht auf diese Art oft schlechte Fotos. Diese lassen ihm dann doch keine Ruhe. Er sammelt sie. Er versieht alle mit dem Schlagwort "elend". Er lässt sein Fotoverwaltungsprogramm ein sogenannt "intelligentes Album" erstellen, in dem diese Bilder automatisch gesammelt werden. Mit jedem Jahr werden es mehr. Er kann sie in der warmen Stube in aller Ruhe anschauen. Er schaut sie oft an. Er weiß nicht, was er dabei denken soll. Soll er froh sein, dass es ihm besser geht als so vielen anderen? Dankbar sein für sein unverdientes Glück? Soll er helfen? Wie? Er legt zwar fast für jedes Foto ein paar Münzen in die hingehaltenen oder hingestellten Papp- oder Plastikbecher, aber wenn es die nicht gibt, ist ihm das auch recht. Er versucht, seinen Blick auf Schöneres zu lenken. Er möchte lieber schöne Fotos machen. Aber wenn der Blick einmal hingelenkt ist auf diese Motive, läßt er sich nicht mehr so leicht ablenken.
Wo er auch hinschaut ...